Bericht des Behindertenbeauftragten
Tätigkeitsschwerpunkte
Der Schwerpunkt der Tätigkeit als Beauftragter für Menschen mit Behinderung liegt auf der Abgabe von Stellungnahmen zum barrierefreien Bauen im Hoch- und Tiefbau. Davon profitieren nicht nur Menschen mit einem Rollator oder einem Rollstuhl, sondern auch sehbehinderte und blinde Menschen sowie hörbehinderte Personen. Viele Stellungnahmen gehen mit einer Beratung des Architekten einher, wie der Entwurf verbessert werden kann, da die normgerechte Erfüllung der Vorgaben nur eine Seite der Medaille ist, entscheidender für den Alltag ist, dass die Wege und Abläufe innerhalb des Bauobjektes praxisgerecht und funktional aus der Perspektive behinderter Menschen sind. Die Stellungnahmen werden Bestandteil der Baugenehmigung für den beantragten Neu-/Umbau und sind damit zwingend zu beachten.
Barrierefreiheit kommt aber nicht nur behinderten Menschen zugute, sondern vielen anderen Bevölkerungsgruppen, wie Familien mit Kinderwagen, älteren Menschen etc. Mit der Barrierefreiheit verbunden sind
- Komfort, da die Bewegungsflächen und Räume großzügiger gestaltet sind,
- Sicherheit, denn funktional gut durchdachte Abläufe und schwellenlose Übergänge verhindern Unfälle und Stürze und erleichtern den Alltag,
- Unabhängigkeit, weil der Alltag bis in das hohe Lebensalter hinein ohne fremde Hilfe bewältigt werden kann; dies kommt auch Menschen zugute, die aufgrund eines Unfalles oder einer Operation kurzfristig immobil sind.
Das Jahr 2023 war zum einen durch eine starke Bautätigkeit im Bereich Sonderbau und Tiefbau geprägt, so wurde erneut eine hohe Anzahl von Stellungnahmen abgegeben. Des Weiteren fanden für die Planungen von mehreren großen Hotelumbauten sowie für den Neubau oder die Erweiterung von zwei Seniorenpflegeeinrichtungen umfangreiche Beratungen statt. Die Änderung und Erweiterung einer großen Rehabilitationseinrichtung sowie die Sanierung eines Freibades und der Neubau einer Mehrzweckhalle in einer Gemeinde waren weitere Schwerpunkte im Jahresablauf.
Im Tiefbau nehmen die Prüfung der Verkehrssicherheit und die Funktionalität der barrierefreien Maßnahmen eine wichtige Rolle bei den Beratungen und bei den Stellungnahmen ein.
Ein Schwerpunkt war der Ausbau des Geh-/Radwegenetzes in und zwischen den Ostallgäuer Gemeinden. Besonders intensiv wurde der Neubau des Radweges am Hopfensee/Füssen begleitet, der aufgrund von Überschneidungen mit dem Fußgängerverkehr und verschiedensten Zwängen, z.B. topographische Gegebenheiten, unveränderbare Grundstücksituationen etc., immer wieder neue Herausforderungen für die Barrierefreiheit in sich barg.
Im Bereich des Öffentlichen-Personen-Nahverkehrs spielt die barrierefreie Gestaltung der Bushaltestelle und die Ausführung der Leitlinien für sehbehinderte und blinde Menschen eine wichtige Rolle. Darüber hinaus wurde zur barrierefreien Ausführung von mehreren Ampelanlagen Stellungnahmen abgegeben.
Ziel aller Beratungen und Stellungnahmen ist es, die unterschiedlichsten Anforderungen der Nutzergruppen und die Norm-Vorgaben zu einem bestmöglichen, situationsgerechten Einklang zu bringen.
Fachtag des Netzwerkes Allgäu zum barrierefreien Bauen
Das Netzwerk Allgäu, ein Zusammenschluss der Behindertenbeauftragten und der Offenen Behindertenarbeit aus dem Allgäu, organisierte in Kooperation mit der Stadt Marktoberdorf einen Fachtag zum barrierefreien Bauen.
Anlass dafür war, dass auf EU-Ebene neue Standards für die Barrierefreiheit erarbeitet worden sind. Diese wurden in der „DIN EN 17210 - Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der gebauten Umgebung - Funktionale Anforderungen“ zusammengefasst. Weil die bisher in Deutschland geltenden barrierefreien Normen: DIN 18040 Teil 1 - 3 nicht in Widerspruch zu den EU-Vorgaben stehen dürfen, überarbeitet das Deutsche Institut für Normung (DIN) diese Normen bis zum August 2024.
Ziel des Fachtages war, einen Einblick in die ersten bekannten Änderungen bei den barrierefreien Normen zu geben. Als Referentin wurde die ehemalige Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer, Christine Degenhart eingeladen. Mit rund 80 Architekten, Planern, Ingenieuren und Vertretern aus den Kommunen im Allgäu war die Veranstaltung ein voller Erfolg.
Die Veranstaltung wurde in der Vorbereitung maßgeblich vom Landratsamt Marktoberdorf unterstützt und diente nicht nur der Information, sondern auch der Kontaktpflege zu den Planern.
Beratung von behinderten Bürgerinnen und Bürgern
Menschen mit einer Behinderung werden entweder vom Kreisbehindertenbeauftragten zu den verschiedensten Themen persönlich beraten und/oder es findet eine Weiterleitung an das Ostallgäuer Beratungsnetz statt.
Vernetzung
Eine wichtige Rolle spielt die Mitarbeit und der Austausch auf den verschiedensten Ebenen, sowohl im Amt als auch auf Kreis-, Allgäu-, Bezirks- und Landesebene. Der Kreisbehindertenbeauftragte bringt sich in den Umsetzungskreis Inklusion des Landkreises ein und tauscht sich zu aktuellen Entwicklungen mit der Offenen Behindertenarbeit und seinen Kolleg*Innen aus den verschiedenen Ebenen aus.
Fortschreibung des Ostallgäuer Aktionsplan „Gut leben inklusive“
Der Umsetzungskreis Inklusion begleitet die Fortschreibung des Ostallgäuer Aktionsplan „Gut leben inklusive“. Die Mitglieder des Umsetzungskreises brachten sich u.a. in die verschiedenen Arbeitskreise zur Fortschreibung des Aktionsplanes ein, so wirkte der Kreisbehindertenbeauftragte in der Fachgruppe „Bauen und Wohnen“ mit.
Austausch Bezirk Schwaben
Auf Bezirksebene gibt es einen regelmäßigen Austausch mit den Inklusionsbeauftragten und den Kommunalen Behindertenbeauftragten, bei denen der Bezirk über aktuelle Themen informiert, wie z.B. zur Eingliederungshilfe, Beteiligungsformate für Menschen mit Behinderung, Assistenz im Krankenhaus etc. Darüber hinaus findet einmal im Jahr auf Landkreisebene ein Treffen mit dem Beauftragten des Bezirks für Menschen mit Behinderung und Fachkollegen des Bezirks statt.
Zur Stärkung der Teilhabe von behinderten Menschen lud Herr Bezirkstagspräsident Martin Sailer zum zweiten Mal die kommunalen Behindertenbeauftragten der Schwäbischen Städte/ Landkreise sowie Vertreter von Verbänden behinderter Menschen zu einem Runden Tisch ein. Es wurde zu verschiedenen Modellprojekten des Bezirks, wie „Aufsuchende Assistenzleistungen“ im häuslichen Umfeld, Kurzzeitbetreuung von behinderten Personen aufgrund Erkrankung, Urlaub der Betreuungsperson und zur SGB VIII Reform (inklusive Jugendhilfe, Gesamtzuständigkeit für behinderte Kinder/Jugendliche im SGB VIII ab 2028) informiert.
Landesbehindertenbeauftragter
Beim Jahrestreffen des Landesbehindertenbehindertenbeauftragten Holger Kiesel wurde die „Regensburger Erklärung“ verabschiedet, die u.a. die Weiterentwicklung des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetz und das gleichberechtige Aufwachsen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen fordert.
Tätigkeit im Jahr 2023 in Zahlen
Beratungen insgesamt: 113
- Von Einzelpersonen: 38
- Von Architekten/Ingenieuren: 32
- Von Kommunen: 23
- Beratungen vor Ort und Besprechungen: 20
Stellungnahmen zu Bauvorhaben im Hoch- und Straßenbau: 91
Zum 01.07.2023: Beschränkung der Stellungnahmen zur Barrierefreiheit im Hochbau auf die rechtlich-verbindliche Prüfungstätigkeit für die untere staatliche Verwaltungsbehörde bzw. auf Sonderbau und Abweichungsanträge nach Art. 48 BayBO für den Wohnbaubereich.
Im Landkreis Ostallgäu leben laut der Strukturstatistik SGB IX (Stand 31. Dezember 2022) vom Zentrum Bayern Familie und Soziales 16.918 Einwohner mit Behinderungen, davon 10.584 Einwohner mit Schwerbehinderung.